Gammelstad Kirchstadt – UNESCO Welterbe

Wir haben die Ostseeküste von Lappland erreicht, nachdem wir einige Wochen auf unserer Wohnmobiltour Lofoten durch die ewigen Wälder in Norden Schwedens gekreuzt sind. Wir sahen die herrlichen Wanderwege des Abisko Nationalparks. Tief hinab ging es in der Mine Kirunas. Sehr beeindruckend auch das Städtchen Jokkmokk mit dem Museum für samische Kultur. Jetzt stehen wir vor den Toren Gammelstads und sind gespannt, was uns erwartet.

In der Infobroschüre des Örtchens lese ich, dass noch vor 1000 Jahren die Stadt gut 10 m unter Wasser stand. Nur der Kirchberg lugte hervor, vom Wasser des nahen Flusses umspült. Mit der Zeit hob sich das Land und immer mehr Platz auf der Insel entstand. Auch der Fluss suchte sich einen anderen Weg. 1339 wurde das erste mal ein Gottesdienst in der Kirche Luleå gehalten. Genau, Gammelstad ist nichts anderes als die Altstadt der heutigen Küstenstadt Luleå. Denn als 1621 die Stadt Luleå gegründet wurde, stellte man auch schon fest, dass der Hafen immer seichter wurde. Noch im 17. Jahrhundert musste die Stadt Luleå umziehen und aus der Altstadt wurde Gammelstadt „Altstadt“.

Einst gab es über 70 Kirchstädte in Schweden, von denen heute nur noch wenige erhalten sind. Gammelstad ist eine Ausnahme, denn zum einen wurde der Platz nicht für die eigentliche Stadt benötigt, zum anderen blieb sie vor Bränden verschont. Über 400 kleine Häuschen stehen noch heute um die alte und mächtige Steinkirche herum, Symbol Förden Reichtum und den Einfluss des ehemaligen Luleå.

In den Häuschen wohnten die Menschen der Umgebung an den Kirchwochenenden. Diese fanden 3-5 Mal im Jahr statt und es war Pflicht, daran teilzunehmen. Es gab getrennte Jugend- und Altenkirchtage. Während des Wochenendes wohnten die Menschen in den kleinen Häuschen, gingen Geschäften nach und hörten Nachrichten.

An diesen Tagen wurde natürlich viel gefeiert, aber vor allem ging es um die Partnersuche. Denn auf den einsamen Höfen im Lande konnte man nur schwer jemanden kennenlernen. Das wurde dann in der Kirchstadt nachgeholt. In Gammelstad war es Sitte, dass sich Paare, die sich auf einem Jugendwochenende kennengelernt hatten, auch in einem der Kirchhäuser heirateten. In der Kirche heiratete damals niemand. Noch heute ist es üblich, dass die Konfirmanden die Nacht vor ihrer Konfirmation in ihrem Kirchhaus verbrachten.

Gammelstad – also Luleå – war ein reger Handelsposten mit Hafen. Hier florierte alles, was zu Geld gemacht werden konnte. Und ein Großteil davon wurde an den Altenwochenenden abgeschlossen, denn hier konnte man sich treffen und in aller Ruhe Handel treiben.

Ich nehme den großen Parkplatz am Rande von Gammelstad und spaziere die paar Meter hinein in den Ort. Schon am Rande stehen eigentlich nur Kirchhäuser. Die kleinen Häuschen sind nur ein paar Quadratmeter groß, im Schwedenrot angestrichen und verfügen über ein Fenster und eine Tür. Die meisten haben inzwischen Strom, aber fließendes Wasser gibt es nicht. Dauerhaftes Wohnen ist bis heute verboten.

Immer im Blick die Kirche, denn alle Häuschen sind im Kreis um die Kirche angesiedelt. Ich finde einige wirklich alte Hütten. Die ältesten nachgewiesenen sind aus dem 16. Jahrhundert, aber wahrscheinlich sind noch ältere darunter. Zu erkennen sind sie auch an den großen Toren für die Pferde. Die jüngeren Kirchhäuser haben das nicht mehr.

Ich suche mir meinen Weg, mal auf Teer, oft auf Schotter und dann wieder auf Wiesenwegen durch die kleinen Häuschen. Es ist wunderschön und auch mein Fotografenherz schlägt hoch… Immer wider gibt es herrliche Blicke durch die Gassen auf die Kirche. Viele Häuschen sind liebevoll hergerichtet, mit Blumen und Pflanzen ausgestattet und leuchten herrlich in der Morgensonne.

Immer wenn ich an der Kirche angelangt bin, nehme ich das nächste Sträßchen wieder weg davon. So laufe ich von Gasse zu Gasse, bis ich in der letzten angelangt bin.

Ich komme an die Touristinformation. Sie ist in einem wunderschönen Haus untergebracht, das allerdings gerade renoviert wird. Daneben weitere offizielle Wohnhäuser und in der Straße finden sich auch Restaurants und Cafes. Es ist die bewohnte Ecke von Gammelstad und langsam trudeln auch mehr Menschen ein, es geht auf 11 Uhr zu.

Zeit für mich, in die Kirche zu gehen. Sie ist schon lange offen. Durch einen der beiden wunderschönen Durchgänge komme ich in den Kirchgarten. Ein paar Bäume spenden Schatten für Hund Maxi. In der Kirche ist er nicht willkommen.

Ich bin überrascht, als ich die Kirche betrete. Sie erinnert mich so gar nicht an die schlichten Kirchen von Lappland. Erst vor ein paar Tagen war ich begeistert über die beiden schlichten Kirchen von Jokkmokk. Die Kirche von Gammelstad ist hell, leuchtend und prunkvoll ausgestattet. Mein erster Blick fällt auf den vor Gold nur so protzenden Altarraum. Das erinnert mich an eine katholische Kirche in Bayern. Daneben eine Kanzel mit reich verzierten Aufgang. Oh, sogar die Decke über dem Altar ist reich verziert. Ich lassende Kirche eine Weile auf mich wirken. Ja, ich vermute Luleå war ziemlich reich….

Mein Rundgang ist fast befindet, in ein paar Schritten bin ich wieder am Parkplatz. Ich überlege, wie viele UNESCO Welterbestätten ich in diesem Reisejahr besuchen durfte. Da waren im Baltikum Orte wie die Kurische Nehrung, die besondere Kultur der Insel Kihnu oder die Altstadt von Vilnius. Und in Schweden besuchte ich die  Felsmalerein im Süden, den Bauernhof Fagelsjö oder die Erzmine in Falun. In Norwegen die Insel Vega mit den Eiderenten und wahrscheinlich noch viele mehr.

Eins kann ich heute ganz sicher sagen – so süß, wie die kleinen Häuschen der Kirchstadt war kein einziges UNESCO Welterbe. Gammelstad ist etwas ganz besonderes.

Meine Wohnmobiltour geht nun langsam gen Süden. Ich will natürlich auch das neue Luleå besuchen. Rund um die Stadt  Piteå gibt es tolle Wanderwege, die ich bei etwas kühlerem Wetter besuchen möchte. Auch ein Blick auf die Schären Lapplands möchte ich erhaschen.