Spaziergang durch Ventspils

Meine Wohnmobiltour durchs Baltikum führte mich von Riga aus an der Küste einmal um Kurland herum bis zum Kap Kolka und wieder nach Süden entlang eines endlosen weißen Sandstrands. Nach einem Besuch in der Geisterstadt Irbene und einer Geocaching-Wanderung um den Busnieko-See habe ich Lust auf Zivilisation und besuche die Stadt Ventspils.

Heute ist Ventspils mit fast 40.000 Einwohnern die sechstgrößte Stadt Lettlands. Der Hafen ist nach Riga der umsatzstärkste des Landes, vor allem Erdöl aus Russland wird hier umgeschlagen. Das ehemalige Windau entwickelte sich schon um 1200 und wurde später zu einem Zentrum des Schiffbaus. Ganze Flotten wurden hier hergestellt. Zwischendurch vernichteten Kriege und Krankheiten fast die komplette Stadt, aber auch unter russischer Herrschaft entwickelte sich Ventspils zu einem industriellen Zentrum. Heute starten Fähren nach Stockholm und auch der Flughafen bietet eine Vielzahl an Verbindungen.

Ich erreiche die Stadt von Norden kommend und bin – wenig begeistert. Ein Wohnblock steht hier am anderen. Kaum Platz zwischendrin für einen Laden, ganz sicher nicht für einen Baum. Plötzlich ist mir klar, warum am nahen Busnieko-See so viele Menschen unterwegs waren, hier ist es ja kaum auszuhalten. Die Stadt erinnert doch sehr an das Urbild einer sowjetischen Vorstadt.

Auf der Fahrt ins Zentrum merke ich keine wesentliche Besserung, die Stadt ist nicht schön. Endlose Reihen an Wohnblocks wechseln sich mit industriellen Gebäuden ab. Zweifelnd, ob sich der Ausflug lohnt, erreiche ich den großen Parkplatz am Fähranleger. Auf dem Weg stolpere ich über ein großes Erlebnisbad, immerhin etwas schönes!

Ich lasse Wohnmobil Günther auf dem fast autolosen Parkplatz und beginne meine Tour bei der nahen orthodoxen St.-Nikolaus-Kirche. Strahlend erhebt sie sich am Ende des Hafens hinter dem Fähranleger. Die Zwiebeltürme leuchten in teurem Gold. Im Kirchgarten stehen ein paar Rehfiguren und ich muss unwillkürlich grinsen. Alles ein bisschen kitschig, aber trotzdem auch beeindruckend und bestimmt viel schöner als die Umgebung.

Mein Weg führt mich entlang der Hafenpromenade entlang. Obwohl hier Autos fahren dürfen, ist nicht viel los und man kann den Spaziergang genießen. Blick hat man auf große Industrieanlagen auf der anderen Seite. Na gut.

Direkt am Hafen erreiche ich die ehemalige Ordensburg. Sie ist ordentlich renoviert ist aber nicht sonderlich groß. Man kann sie besuchen und einen Blick hinein werfen, dank Corona-Lockdown ist das gesamte Gelände aber aktuell gesperrt.

Ich spaziere in die Innenstadt und freue mich über kleine Gassen. Die Bibliothek erstrahlt in topmodernem Gewand und fügt sich dennoch gut in die historischen Gebäude drumrum ein. Ich erinnere mich an Jurmala, wo dieser Spagat auch gut gelang. Dahinter steht die evangelische Nikolaus-Kirche an einem wirklich schönen Platz. Mir fällt nicht zum ersten Mal auf, wie wenig Gebäude hier wirklich renoviert sind und wie viele ein Schattendasein fristet. Ventspils ist dank Hafen eine der reichsten Städte Lettlands – wo das Geld hingeht ist mir schleierhaft. In die Stadtentwicklung fließt es eher nicht.

Innerhalb der Stadt Ventspils findet man allerorts Kühe. Sie gehören zu einem Kunstprojekt. Mal sind die Kühe klein, mal riesig.

Ich mache einen Abstecher zum Strand von Ventspils. An der Spitze des Hafens kann man gemütlich zum Leuchtturm spazieren. Sollte man nicht vom Wind weggeweht werden. Als die Schutzmauer endet blicke ich plötzlich über einen breiten und endlosen Sandstrand. Wow! Hier kann man Entspannen!

Ich spaziere zurück zum Parkplatz am Strand. Hier steht ein goldener Stuhl, der allerdings etwas zu groß für meinen Hintern ist. Also nichts wie rein ins Wohnmobil und weiter – ich gebe zu. Ich flüchte.

Ventspils ist eine reiche und alte Stadt in Lettland. Von dem merkt man wenig, denn hauptsächlich ist es eine Industriestadt. Dabei hat die Stadt wirklich viele schöne Holzhäuser, Kirchen und andere Gebäude zu bieten. Auch die Hafenpromenade hat was, aber man müsste die Autos einfach wegsperren. So wie Ventspils heute aussieht, lohnt sich ein Besuch nur für Freunde der industriellen Bauwerke. Schade! Infos zur Stadt finden sich auf ihrer Website!

Meine Tour führt mich weiter nach Süden entlang des tollen Strandes. Dann möchte ich aber in Richtung Kuldiga abbiegen, wo mich ein nettes Städtchen und der breiteste Wasserfall Europas erwarten. Meine Wohnmobiltour durchs Baltikum geht weiter!